Zurück zur Übersicht

Rückblick auf das Jahr 2024 bei CABUWAZI

Heute wollen wir auf ein ereignisreiches und inspirierendes Jahr zurückblicken, das uns in unserer Mission bestärkt hat: Kinder und Jugendliche mit der Kraft des Zirkus zu begeistern, zu fördern und zu stärken – oft dank der unermüdlichen Unterstützung unserer Mitarbeitenden, Ehrenamtlichen und Partner:innen.
Eine Mission, die wir trotz den drohenden Auswirkungen, durch die drastischen Kürzungen der Berliner Regierung, auch im kommenden Jahr mit Freude und Entschlossenheit verfolgen werden.

30 Jahre CABUWAZI – Gemeinsam wachsen

2024 war ein ganz besonderes Jahr für uns, denn wir haben unser 30-jähriges Bestehen gefeiert! Unter dem Motto „Gemeinsam wachsen” verwandelte sich unser Standort in Marzahn im Juni für ein Wochenende in einen lebendigen Festplatz. Kinder, Jugendliche, Trainer:innen und Mitarbeiter:innen arbeiteten monatelang auf dieses Event hin. Es gab, neben Mitmachzirkus und Workshops, eine große Jubiläumsshow, die die Vielfalt von CABUWAZI feierte. Unsere Artist:innen erhielten Standing Ovations für ihre beeindruckenden Darbietungen. Dieses Jubiläumswochenende war eine wunderbare Gelegenheit, drei Jahrzehnte Zirkusarbeit zu zelebrieren und gemeinsam mit CABUWAZI-Artist:innen, -Freund:innen und Mitarbeiter:innen in die Zukunft zu blicken.

Zur Feier dieses Anlasses erschien eine Jubiläumsbroschüre, die tiefere Einblicke in unsere Geschichte und Projekte gab. Ehemalige und aktuelle Zirkuskinder erzählten ihre Geschichten. So sprachen wir mit Jessy Meden, die CABUWAZI seit den ersten Tagen begleitet und heute eine der beiden Standortleitungen in Kreuzberg ist. Max Patschke erzählte uns von seinem beeindruckenden Werdegang, der ihn vom einstigen Trainingskind zum Artist und Zirkustrainer geführt hat. Auch Sabrina Strasse blickte als ehemaliges Trainingskind auf ihre Zeit bei CABUWAZI zurück und teilte ihre Erinnerungen. Unser aktuelles Trainingskind Sina erzählte uns von ihrer Leidenschaft für die Zirkuskunst und erklärte begeistert: „Ich liebe Trapez über alles.“ Darüber hinaus wurden in Fachbeiträgen und Interviews verschiedene Aspekte der Kinder- und Jugendzirkusarbeit beleuchtet. Dabei standen u.a. Themen wie die Bedeutung der Zirkuspädagogik, die aufsuchende Zirkusarbeit und der Zusammenhang zwischen Psychotherapie und Zirkus im Fokus.

Unser 30-jähriges Jubiläum feierten wir zudem mit neuen Merchandise-Produkten – von Jonglierbällen über T-Shirts bis hin zu Hoodies, die dazu beitragen, die Erinnerungen an dieses besondere Jahr lebendig zu halten.

Talentförderung, Kreativität und gesellschaftliche Themen bei CABUWAZI

Neue Jahrgänge der Circus Akademie

Unsere Circus Akademie bietet eine Vielzahl an Fort- und Weiterbildungen in Wochenend- und Abendkursen an, um Zirkuspädagog:innen, Artist:innen und andere Akteur:innen der Zirkuslandschaft optimal in ihrer Arbeit zu unterstützen.

Im Herbst starteten die neuen Jahrgänge für die Teilzeitweiterbildungen für (angehende) Zirkustrainer:innen. Die Einführung in das Arbeitsfeld erfolgte durch eine Weiterbildung zur/zum „Zirkustrainer:in Grundlagen” und das fortgeschrittene Weiterbildungsformat zur/zum „Zirkustrainer:in Vertiefung”. Den Höhepunkt bildet jedes Jahr die sechstägige Inszenierungswoche mit der Abschlusspräsentation des Jahrgangs.

Institut für Zirkustherapie – Alegria

Ein weiterer bedeutender Meilenstein im Jahr 2024 war die Verstetigung unseres Projekts Alegria – Institut für Zirkustherapie. Die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie hat entschieden, dieses wichtige Angebot dauerhaft zu unterstützen. Dadurch konnten wir ab April noch mehr Therapieplätze für Kinder und Jugendliche schaffen, die seelisch belastet oder erkrankt sind. Besonders erfreulich: Die Therapie bleibt weiterhin kostenfrei und wird an verschiedenen Orten in Berlin angeboten. Interessierte Familien können sich bei uns melden.

Die Arbeit von Alegria wurde 2024 zudem mit dem renommierten Ulrike-Fritze-Lindenthal-Antistigma-Preis ausgezeichnet. Dieser Preis wird von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) gemeinsam mit dem Aktionsbündnis Seelische Gesundheit verliehen. Ziel ist es, innovative Projekte und Institutionen zu würdigen, die sich für mehr Autonomie und die Integration psychisch erkrankter Menschen in unsere Gesellschaft einsetzen.

Europäische Solidaritätskorps

Jeden März und September begrüßt CABUWAZI eine neue Gruppe engagierter Freiwilliger aus der ganzen Welt im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps (ESC). Während ihres Einsatzes bei CABUWAZI unterstützen sie unsere sechs Zirkusstandorte in Berlin. Unter unseren aktuellen Freiwilligen ist auch Tomás Sapia, der seit März dabei ist. Mit seiner Leidenschaft in Fotografie, Videografie und Schreiben hat er eine Vielzahl aufregender Veranstaltungen und Projekte begleitet und dokumentiert. Dabei bot er spannende Einblicke, in die einzigartigen Erfahrungen, die unsere Freiwilligen machen. Zu den Höhepunkten gehörten der Karneval der Kulturen, das Hors Cirque Seminar in Marseille, das 30-jährige Jubiläum von YAAM, der Karneval für die Zukunft und die Willkommenswoche für die ESC-Freiwilligen im September.

Darüber hinaus waren unsere engagierten europäischen Freiwilligen aktiv an der Gestaltung und Transformation öffentlicher Räume durch Gemeinschaft und Kreativität im Projekt „Zuhause” beteiligt.

 

Faszinierende Events, Festivals und Shows

Newcomer Artist:innen Festival

Beim 3. Newcomer Artist:innen Festival in CABUWAZI Marzahn erhielten Künstler:innen die Gelegenheit, ihr Können zu präsentieren und versetzten das Publikum sowie die Fachjury ins Staunen. Die Veranstaltung zeugte von der Vielfalt und Kreativität junger Talente in zwei spektakulären Shows. Den Besucher:innen wurde ein faszinierender Wettbewerb mit einer breiten Palette an Darbietungen geboten.

Jugendgruppe „International Arrivals“ von CABUWAZI Tempelhof im Tigerentenclub

Sechs junge Artisti:nnen der Jugendgruppe von CABUWAZI Tempelhof International Arrivals traten im Tigerentenclub auf. Dort berichteten sie von ihrem Zirkustraining und beeindruckten das Publikum mit coolen Auftritten aus den Bereichen Hoop-Diving und Akrobatik.

Auszeichnungen für CABUWAZI Marzahn beim 14. Circusfest in Köln

Anfang November nahm CABUWAZI Marzahn mit zwei beeindruckenden Darbietungen am 14. Circusfest in Köln teil und konnte gleich zwei Preise mit nach Hause nehmen!

Freedom of Movement Festival

Im November veranstaltete CABUWAZI Tempelhof das 8. Freedom of Movement Festival, das sich für die Freiheit der Bewegung einsetzt – in diesem Jahr erstmals als Teil von Zeit für Zirkus, der deutschen Entsprechung zum französischen La Nuit du Cirque. Ziel dieses Formats ist es, den Zeitgenössischen Zirkus stärker in den Fokus der Kulturszene zu rücken und gesellschaftliche Diskurse durch Kunst erlebbar zu machen. Auf dem historischen Tempelhofer Flughafengelände, das für rund 5.000 geflüchtete Menschen ein temporäres Zuhause bietet, verschmelzen Kunst und soziale Realitäten. Die diesjährige Ausgabe des Festivals bot mit zwei Shows der CABUWAZI-Ensembles International Arrivals und VisÁ-Vis sowie einer neuen Open Stage ein dichtes und bewegendes Programm.

CABUWINZIG Shows

Die CABUWINZIG Shows präsentierten faszinierende Zirkusdarbietungen mit den jüngsten Talenten von CABUWAZI. An den verschiedenen Standorten von CABUWAZI trainierten die kleinen Manegenstars fleißig ihre Fähigkeiten, um ihr Können erstmals vor Publikum zu zeigen. Die CABUWINZIG Shows sind nicht nur für Eltern, Kitas und Grundschulen ein beliebtes Event, sondern für alle Interessierten, die sich von der Magie des Zirkus verzaubern lassen möchten. Sie bieten eine großartige Gelegenheit, die kreativen Leistungen der jungen Generation zu bewundern und sie in ihrem künstlerischen Wachstum zu unterstützen. Zu den diesjährigen CABUWINZIG-Shows gehörten unter anderem „Träume“ in Tempelhof, „Der Wunschbaum – Gemeinsam werden Wünsche wahr“ in Kreuzberg, „Sterne und Planeten“ in Altglienicke, „In 80 Minuten um die Welt“ in Marzahn und „Flowerpower – Superheld:innen des Frühlings“ in Treptow.

„Anna – Der kleine Zirkus“ feierte Eröffnung am 6. Dezember

Am 6. Dezember 2024 öffnete der neue Trainingsort „Anna – Der kleine Zirkus“ in der Anna-Ebermann-Siedlung seine Zelttüren. Das Gemeinschaftsprojekt von CABUWAZI Hohenschönhausen und der HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft mbH, unterstützt durch das Jugendamt Lichtenberg, bietet Zirkustraining für Kinder und Jugendliche aus der Anna-Ebermann-Siedlung sowie aus Hohenschönhausen. In diesem kleinen Zelt konnen die jungen Teilnehmer:innen ihre Zirkusfähigkeiten in einem kreativen und unterstützenden Umfeld weiterentwickeln.

Manegenzauber Shows – CABUWAZI lädt zum Jahresabschluss zu einem stimmungsvollen Winterprogramm

Mit Manegenzauber bringt CABUWAZI jedes Jahr aufs Neue die winterliche Magie in die Manege. Die Event-Reihe ist ein fester Bestandteil unseres Programms und begeistert große und kleine Besucher:innen an insgesamt sechs Standorten. Schon seit vielen Jahren zeigen die Kinder und Jugendlichen der verschiedenen Trainingsgruppen in eigenen Produktionen, was sie über das Jahr hinweg bei CABUWAZI gelernt haben. Dabei kombinieren sie klassische Zirkusnummern mit modernen Elementen aus Tanz und Theater – ein Erlebnis, das alle in seinen Bann zieht. Auch für Schulklassen und Kitagruppen bietet sich hier eine besondere Gelegenheit, die kreative Welt des Zirkus einmal ganz nah zu entdecken. Unsere jungen Artist:innen präsentierten moderne Abenteuer in einer beeindruckenden Auswahl an Shows:  Es erwarteten sie „Der Nussknacker“, eine Reise in die „World of Storys“, „Der Griesgram – Schrecklich grüne Weihnachten“ sowie eine artistische Expedition im „Solar-Express“. Zudem erlebten wir „Ein Fest der Gegensätze“ und „Der Waldgeist“.

Wir gehen in die Winterpause und blicken hoffnungsvoll auf 2025

Gemeinsam freuen wir uns auf das kommende Jahr! Mit einem herzlichen Dank an alle Unterstützer:innen, Künstler:innen und Freund:innen schließt CABUWAZI 2024 ab. Eine kleine Winterpause steht bevor, in der kein Training stattfindet. Die Standorte machen eine kurze Verschnaufpause, um im neuen Jahr mit frischer Energie zurückzukehren.

Trainingsfreie Zeiten auf den Plätzen

Hohenschönhausen: 23.12.2024 bis 05.01.2025

Kreuzberg: 23.12.2024 bis zum 10.01.2025

Altglienicke: 23.12.24 bis 5.1.2025 (Ausnahme: CABUWINZIG findet ab 2.1.2025 wieder statt)

Marzahn: 20.12.2024 bis 12.01.2025

Tempelhof: 21.12.2024 bis 05.01.2025

Treptow: 16.12.2024 bis 5.12.2025

Wir wünschen dir eine schöne und erholsame Winterzeit und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

 


Zurück zur Übersicht

Psychotherapie und Zirkus: „Bestätigung, Anerkennung, Zuversicht“ – das brauchen wir, um gesund zu werden

In unserer Jubiläumsbroschüre zu 30 Jahre CABUWAZI haben wir bereits einen spannenden Blick auf das Thema Psychotherapie und Zirkus gegeben. Jetzt möchten wir diesen Text, der ursprünglich in der Broschüre veröffentlicht wurde, auch hier in unserem Blog mit dir teilen.

Text und Interview: Julia Krautstengel

Seit 2022 gibt es das in Deutschland einzigartige Institut für Zirkustherapie Alegria. Das Institut arbeitet mit einem ressourcenstärkenden Ansatz, der neben bewährten Verfahren der Verhaltenstherapie auch kreative Methoden aus der Kulturellen Bildung einbezieht. Die Gründerin Britta Niehaus möchte damit schnelle, professionelle Hilfe für Kinder und Jugendliche mit psychischen Problemen und Erkrankungen bieten, fernab des Krankenkassensystems.

Warum das für die therapeutische Versorgung in Deutschland so wichtig ist, wie Kindern in Krisensituationen geholfen werden kann und was Zirkus mit Therapie zu tun hat, haben wir mit Expert:innen aus dem Fachbereich Kinder- und Jugendpsychologie im Interview besprochen!

Die Profile der Expert:innen findest du ganz unten.


Wie viele Kinder und Jugendliche leiden in Deutschland an einer psychischen Erkrankung?

Claudia: Es kommt natürlich darauf an, wie man es erfasst, aber es lässt sich davon ausgehen, dass 12% der Kinder und Jugendlichen eine diagnostizierbare psychische Störung haben. Der Anteil an Kindern und Jugendlichen, die psychische Belastungen haben, liegt deutlich höher:

„Ungefähr jedes fünfte Kind/Jugendliche

hat psychische Probleme.“

– Dr. Claudia Calvano

Gerhard: Als Praktiker schaue ich nicht so häufig in die Statistiken, aber wenn ich mir die Lebenszeitrisiken von psychischen Krankheiten vor Augen führe, liegen wir wahrscheinlich in dem Bereich von 30 bis 40%.

Britta: Seit der Pandemie sind die psychischen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen eklatant gestiegen!

Was sind die hauptsächlichen Erkrankungen?

Gerhard: Meiner Erfahrung nach variiert das und ist natürlich nicht repräsentativ: Vor 15 Jahren hatten wir viele Fälle von ADHS, das ist etwas zurückgegangen. Aber es ist auf jeden Fall immer noch eine große Komponente. Dann haben wir viel mit Patient:innen zu tun, die Probleme haben, ihre Emotionen zu steuern. Außerdem nehmen selbstverletzendes Verhalten und Zwangsstörungen immer mehr zu. Und natürlich Depressionen.

Britta: Ich möchte noch Ängste ergänzen. Ich meine hier zum Beispiel soziale Phobien bei Jugendlichen oder soziale Ängstlichkeit bei Kindern. Aber auch spezifische Phobien, die sich auf bestimmte Situationen oder Gegenstände beziehen, treten immer wieder auf. Claudia, was sagt die Studienlage dazu?

Claudia: Die häufigsten Erkrankungen sind definitiv die Angststörungen. Es gibt viele Diagnosen, die darunterfallen: Die vier häufigsten Störungsbilder sind generalisierte, soziale oder spezifische Phobien sowie Störung des Sozialverhaltens wie Wutanfälle, die wir sehr häufig haben, und auch ADHS und Depression. Was aber in Studien oft nicht umfassend abgedeckt wird, sind die Komorbiditätsraten, also das gleichzeitige Vorkommen von zwei oder mehr Erkrankungen. Wir wissen jedoch, dass Angst und Depression oft gemeinsam auftreten, genauso wie ADHS und Störungen des Sozialverhaltens oder häufige Störungen zusammen mit einer, aus Studienlage gesehen, selteneren Störung wie Tickstörungen und Zwangsstörungen. Wir beobachten diese Komorbiditäten immer wieder im Kindes- und Jugendalter.

Was sind die Ursachen?

Britta: Ich habe gelernt, dass das Zusammenwirken von drei unterschiedlichen Faktoren Ursache von psychischenErkrankungen sein können. Zum einen der biologische Faktor: Jede:r kommt mit einem ganz eigenen Temperament oder genetischen Dispositionen auf die Welt. Zum anderen der psychologische Faktor, der das Verhalten, Kognitionen, Emotionen, Einstellungen bestimmt. Und schließlich die sozialen Faktoren: Welche Netzwerke habe ich? In welchen Status werde ich hineingeboren? Wie wachse ich auf – also wie ist die Bindung, wie ist das Zuhause, gibt es Konflikte, ist es liebevoll, ist es wertschätzend? Wie ist die Kita/Schule? Dazu kommen Lebensereignisse, die traumatisierend und belastend sind – wie Tod oder Krankheit. Also Ereignisse, die einen Menschen tief irritieren und verunsichern.

Claudia: Ich stimme dem zu: Eine bio-psycho-soziale Perspektive spielt immer eine Rolle. Wir können keine Komponente einzeln betrachten. Es gibt verschiedene Sichtweisen und Modelle zur Ursachenlage. Mir persönlich sagt auch das Vulnerabilitäts-Stress-Modell zu, weil es eine andere Ebene beleuchtet. Das besagt, dass wir alle eine Art „Stressfass“ haben.

Und wenn wir vielen Stressfaktoren ausgesetzt sind, werden wir empfänglicher für die Entwicklung von psychischen Störungen. Sobald eine Art Schwelle überschritten wird, kommt es zur Ausbildung von Symptomatik. In diesem Modell wird die Lebensgeschichte miteinbezogen, einschließlich der verschiedenen chronischen und akuten Stressoren, die wir alle haben. Das erklärt auch klinisch, warum einige Kinder und Jugendliche psychische Störungen entwickeln und andere nicht. Im Modell werden auch die protektiven Faktoren betrachtet. Noch mal im Bild gesprochen: Mit welchen Mitteln kann das „volle Stressfass“ wieder etwas ablaufen.

Britta: Stimmt! Starke Ressourcen, Schutzfaktoren und Resilienzen sind ganz wichtig, denn diese können Kinder
schützen.

Haben sich die Probleme in den letzten Jahren verändert?

Claudia: Die Pandemie hat viel verändert: Wir wissen, dass der Elternstress gestiegen ist. Wir wissen, dass die Gewalt in den Familien zugenommen hat, einschließlich der emotionalen Gewalt – wie zum Beispiel das Anschreien von Kindern. Abseits der Pandemie können wir auch Phänomene, die im Zusammenhang mit der digitalen Welt stehen, nicht ignorieren, wie zum Beispiel Computerspielabhängigkeit und exzessiver Medienkonsum.

Britta: Ich denke auch, dass die Ängste oder die Not bei den Menschen größer geworden ist – die sozialen Bedingungen sind schwierig: Der Klimawandel, Kriege usw. führen zu Zukunftsängsten, Jugendliche fragen sich, wie es weiter gehen soll. Ich höre immer wieder, dass sie einen Kontrollverlust erleben, weil sich die äußeren Bedingungen so rasant verändern.

Gerhard: Aber auch der Aspekt der Internalisierung spielt eine Rolle: Viele Jugendliche setzten sich extrem unter Druck. Gerade was das Sozialverhalten angeht, haben sie das Gefühl, einen unglaublich hohen Ethos an den Tag legen zu müssen. Das führt bei vielen zu erheblichen Störungen.

Warum setzen sich junge Menschen heute mehr unter Druck?

Gerhard: Selbstoptimierung als ein Zeitgeistmoment spielt eine Rolle. Aber auch die ganzen Angstszenarien, die es jetzt gibt und zum Teil berechtigt sind – wie Corona, Kriege, Erderwärmung – prasseln ungefiltert auf die Kinder und Jugendlichen ein. Es ist nicht für jede:n möglich, sich resilient zu machen oder die Themen so zu transformieren, dass sie damit umgehen können. Sich zum Beispiel politisch zu engagieren, kann ein Umgang sein. Manche, die das nicht können, gehen deshalb in die Hilflosigkeit hinein.

Wann melden sich betroffene Familien oder Jugendliche bei euch? Wann sollten sie sich melden?

Britta: Meistens besteht ein Leidensdruck, weil es zum Beispiel große Konflikte in der Schule oder zu Hause gibt. Eltern wissen nicht mehr, wie sie ihr Kind unterstützen sollen, weil das Kind oder die/der Jugendliche nicht über sich spricht. Dann melden sich die Eltern bei uns. Wenn die Eltern Veränderungen feststellen und registrieren, dass das Kind sich selbst verletzt, dass sich das Essverhalten ändert oder es immer dünner wird, ist es wichtig, sich Hilfe zu suchen. Wenn eine Notlage besteht, sollte unbedingt Hilfe in Anspruch genommen werden.

Und gleichzeitig ist der Zugang zu psychologischer Hilfe so schwer. Warum?

Gerhard: Das ist eine quantitative Problematik. Wir sind zum Beispiel eine große Praxis mit etwa zehn Kinderund Jugendlichenpsychotherapeut:innen. Trotzdem haben wir eine überfüllte Warteliste und eine Wartezeit von sechs Monaten. Denn: Ein/e Therapeut:in behandelt in einem Jahr 30 bis 40 Menschen. Das ist viel, und dann sitzt er/sie auch schon mal samstags, um den Bürokram zu erledigen. Am Tag bekomme ich aber vier bis fünf Anfragen. Ich könnte demnach ungefähr ein bis zwei Wochen im Jahr Patient:innen aufnehmen. Dann wäre ich für ein Jahr ausgelastet. Doch das Jahr hat nicht zwei Wochen, sondern 52.

Claudia: Wir sollten aber auch selbstkritisch sein. Psychotherapie ist eine Expertisenversorgung, das ist ganz wichtig. Gleichzeitig ist es aber schwer, uns zu erreichen. Wenn wir an die Familien denken, die multiple Probleme haben wie soziale Belastungsfaktoren, eigener Stress, eigene Erkrankung oder sehr viel arbeiten müssen – dann ist der Weg zu uns aufwendig: Sie müssten bei uns anrufen, auf den AB sprechen. Selbst dann erreichen sie vielleicht niemanden. Wir handhaben das ähnlich in der Hochschulambulanz. Ich finde den Zugang jedoch hochschwellig. Es wäre gut, wenn es mehr Angebote gäbe, die in den Lebenswelten der Menschen stattfinden und leichter zugänglich sind.

Wie ist der Zugang bei dir, Britta?

Britta: Wir haben den Vorteil, dass wir neue Wege in der Psychotherapie gehen. Wir sind sehr gut vernetzt mit der Jugendhilfe und therapeutischen Einrichtungen. Wir arbeiten eng mit Schulen, Sozialarbeiter:innen, Jugendämtern und den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Diensten (kurz KJPDs) zusammen. Sie rufen uns an, wenn eine Familie dringend Hilfe benötigt, und vermitteln diese an uns. Wir können niedrigschwellig arbeiten, weil wir eher in der Lebenswelt der Kinder, Jugendlichen und Familien sind. Viele Familien erhalten eine Empfehlung von der Familienhilfe oder niedergelassenen Psycholog:innen zu einer Behandlung, finden aber keinen Platz. Falls das Kind für eine Gruppentherapie geeignet ist, wird es nun auch an uns vermittelt.

Gruppentherapie?

Britta: Wir machen keine oder nur bedingt Einzeltherapie. In der Regel bieten wir einen Platz in der Gruppe an. Wir können dann auch mehr Kinder und Jugendliche gleichzeitig behandeln.

Was sind die wichtigsten Merkmale der Zirkustherapie?

Britta: Wir arbeiten mit Methoden und Interventionen der Verhaltenstherapie. Es geht außerdem viel um Emotionsregulation – um Strategien, die Kinder und Jugendliche erlernen können. Dafür nutzen wir zum Beispiel therapeutische Rollenspiele oder auch positive Selbstinstruktion. Denn: Viele Kinder haben ein schlechtes Selbstbild und tragen Glaubenssätze in sich, die nicht hilfreich sind. Gleichzeitig leiten wir körperbasierte und bewegungsfreudige Übungen, Zirkusdisziplinen und kurzweilige, achtsame Entspannungsmöglichkeiten an. So
können wir kindgerecht, mit viel Spiel und Bewegung arbeiten.

Kannst du ein Beispiel dafür geben?

Britta: Aus Kinderperspektive: „Da ist diese wackelige Kugel und ich möchte nach oben. Aber ich denke, das schaffe ich sowieso nicht. Das ist viel zu wackelig.“ Dann frage ich als Therapeutin das Kind: „Ist das ein hilfreicher Gedanke für dich, wenn du auf die Kugel möchtest?“ – „Nein, natürlich nicht, ich habe aber Angst vor der Kugel.“

Dann leiten wir das Kind langsam Schritt für Schritt an, um auf die Kugel zu kommen. Gleichzeitig sprechen wir über die kognitive Ebene. Denn: Körper und Kognition möchten wir gemeinsam bearbeiten. Das Kind kann direkt registrieren, wenn die Übung klappt und merkt: „Ich kann das.“

Das ist auch das Besondere bei uns – Körper und Geist arbeiten Hand in Hand.

Was habt ihr, Gerhard und Claudia, gedacht, als ihr das erste Mal von der Zirkustherapie gehört habt?

Gerhard: Ich möchte dazu kurz ausholen. Wir haben in Deutschland zwei grundsätzliche Versorgungssysteme für Kinder und Jugendliche. Da ist einmal der Weg, über die Krankenkasse eine Psychotherapie finanziert zu bekommen. Und dann haben wir zweitens den Bereich Jugendhilfe, das SGB VIII Jugendhilfegesetz. Dort geht es eigentlich um Hilfen zur Erziehung oder Eingliederungshilfen. Also darum, dass Kinder die Bedingungen bekommen, in denen sie sich zu gesunden, erwachsenen Menschen entwickeln können.

Aus meiner Sicht ist dieser zweite Bereich wesentlich kindgerechter. Dort kann man zum Beispiel aufsuchend arbeiten, was ich eigentlich sehr wichtig finde. Im Bereich der Krankenkasse, wo ich arbeite, sind die Möglichkeiten sehr viel geringer. Die Kinder kommen zur Behandlung in die Praxis, vielleicht gibt es wie bei uns noch einen Raum zum Toben. Die Umwelterfahrungen, die die Kinder machen können, sind jedoch extrem limitiert. Das ist einfach aus dem Erwachsenenbereich übernommen – das ist aber nicht kindgerecht.

Und da lacht dann mein Herz, wenn ich Zirkustherapie höre – das klingt schon nach Möglichkeiten, von denen wir nur träumen. Bei uns ist nach Pezzi-Ball und kleinem Klettergerüst Schluss! Es passiert stattdessen viel Paper-Pencil-Arbeit.

Britta: Also Arbeit rein auf der kognitiven Ebene: Hier ist dein Arbeitsblatt, dann denk mal drüber nach.

Gerhard: Die Versorgungslage ist so schlecht, dass man nur wenig Zeit mit jedem Kind hat – insgesamt 24 Stunden. Da wird nicht genug auf die Kinder geguckt. Und dann kommt da so ein bunter „Straßenköter“ daher, der sich Zirkustherapie nennt. Und geht diagonal durch diese ganzen Stammstrukturen hindurch. Das hat mich vom ersten Moment an total überzeugt.

Britta: Durch den Aspekt Zirkus ermöglichen wir Schlüsselerlebnisse. Kulturelle Bildung – Zirkus gehört dazu – stärkt die Auseinandersetzung mit sich selbst! Durch die Kreativität und die Auseinandersetzung mit eigenen, tiefliegenden Gefühlen und Assoziationen wird ein anderer Weg zur Heilung geschaffen.

Was hast du gedacht, Claudia?

Claudia: Ich war sofort sehr begeistert. Denn durch die körperliche Ebene kann die Selbstwirksamkeit gestärkt werden. Und es ist einfach für alle Kinder da! Alle können etwas schaffen! Außerdem finde ich den Ansatz sehr kindgerecht. Es geht nicht nur um Kognition, ums Reden und am Ende spielen wir noch ein Spiel. Sondern es ist auch nonverbal sowie erlebbar und direkt. Ich glaube, dadurch können viele Hürden überwunden werden, die wir mit unserem akademischen, kognitiven Stil manchmal aufbauen. Dass alle mitmachen können, berührt mich sehr! Als ich im letzten Jahr die Aufführung der Alegria-Kinder gesehen habe, sprachen ihre Gesichter Bände. Sie waren so stolz auf das, was sie geschafft hatten. Es ist wirklich unglaublich cool.

Jetzt gibt es das Institut seit zwei Jahren. Britta, kannst du ein Zwischenfazit ziehen? Was sind Erfolge, was sind Schwierigkeiten?

Britta: Im ersten Durchgang hatten wir für ein Jahr 60 Kinder bei uns, die mit einer Abschlusspräsentation ihre Gruppenpsychotherapie beendet haben. Das ist gut gelaufen und war ein Erfolg.

Was schwierig und sehr zeitaufwendig ist, ist die Zusammenstellung der Gruppen – ich hatte mir das konzeptionell einfacher vorgestellt. Denn eigentlich sollen die Gruppen gleichzeitig starten. Da ich aber je Gruppe sechs bis acht Kinder finden möchte, die altershomogen sind, aber verschiedene Störungsbilder aufweisen, starten sie die Therapie im Moment nicht gemeinsam. Das ist auch für die Aufführung schade. Wir haben zwar die Warteliste voll, aber viele weisen die gleichen Störungsbilder auf. Ich möchte aber, dass die Gruppen störungsbildübergreifend sind. Deshalb sind manche Gruppen nicht voll besetzt.

Wie soll damit in Zukunft umgegangen werden?

Britta: Wir überlegen gerade, ob wir es konzeptionell nochmal verändern wollen. Im Moment ist meine Lösung dafür, Alegria noch bekannter zu machen bei niedergelassenen Therapeut:innen, Kliniken, KJPDs oder Familienberatungsstellen, damit sie die Familien gleich an uns weitervermitteln. Wenn der Pool an Kindern größer wird, steigt die Chance, dass alle gleichzeitig starten können.

Wie kann man Kinder angesichts der aktuellen Situation stärken?

Britta: Gerhard hat nochmal von dieser erlernten Hilflosigkeit gesprochen. Wir müssen die Kinder da rausholen,
indem wir sie befähigen, ihre Lebenswelt mitzugestalten! Und:

„Jedes Kind kann etwas,  hat Fähigkeiten, hat Talente, hat Ressourcen.

Wir können sie unterstützen, das zu erkennen und zu fühlen:

„So wie ich bin, bin ich gut.“

– Britta Niehaus

Gerhard: Ich möchte dazu gerne eine Geschichte erzählen: Ich hatte einmal eine erwachsene Patientin, eine Sozialarbeiterin. Sie hat mir erzählt, dass sie es als Jugendliche fürchterlich krachen lassen hat – keine Droge hätte sie liegen gelassen. Sie beschrieb sich als eine hochgefährdete Jugendliche. Sie erzählte dann, dass ihre Mutter ihr schon als Kind einen Leih-Opa besorgt hatte. Und der hat immer nur gesagt, wie toll sie sei. Fast bis ins Lächerliche hineingehend hätte er sie immer wieder bestätigt. Irgendwann mit 17 oder 18 Jahren war sie völlig am Ende. Da hätte sie dann an den Leih-Opa gedacht und sich gefragt, was er jetzt wohl denken würde, wenn er sie so sehen könnte. Das wäre der Punkt gewesen, wo sie die Kehrtwendung gemacht hat.

„Da habe ich persönlich gelernt dass Bestätigung, Anerkennung, Zuversicht und all diese Aspekte sind so wichtig,

um gesund zu werden und gesund zu bleiben.“

– Gerhard Kaulard

Claudia: Ich denke auch, dass es mindestens einen Menschen braucht, der dir sagt, dass du gut bist, so wie du bist, der oder die dich auch bei Krisen unterstützt.

Britta: Tatsächlich ist es auch sinnvoll, die Eltern zu unterstützen, ihnen zum Beispiel zu einer Beratung, einer eigenen Therapie oder einer Mutter-Kind-Kur zu raten. Denn: Wir haben auch immer wieder psychisch kranke Kinder von psychisch kranken Eltern.

„Wenn wir Eltern unterstützen,
dann tun wir auch den Kindern Gutes.“

Britta Niehaus

 

Zum Abschluss: In einem Wort – was ist das Wichtigste, dass erkrankte Kinder und Jugendliche in der Therapie brauchen?

Britta: Hoffnung.
Claudia: Selbstwirksamkeit.
Gerhard: Bestätigung.

Ich danke euch sehr für das Gespräch!

 


Unsere Expert:innen:

Claudia CalvanoGerhard KaulardBritta Niehaus

Univ.-Prof. Dr. Claudia Calvano ist Professorin an der Freien Universität Berlin. Dort leitet sie die klinische Kinder-und Jugendpsychologie und-psychotherapie und Hochschulambulanz für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. Sie ist promovierte Psychologin und ausgebildete Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin.
Sie kennt das Institut für Zirkustherapie durch eine Evaluation. Claudia entspannt sich am besten, wenn sie mit ihren Hunden spazieren geht!

Dipl. Psychologe Gerhard Kaulard ist seit über 25 Jahren als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut in seiner eigenen Praxis tätig. Neben Kindern und Jugendlichen behandelt er in seinem Psychotherapiezentrum Treptow auch Erwachsene. Außerdem leitet er eine Lehrpraxis für Verhaltenstherapeut:innen und ist am Institut für Verhaltenstherapie Berlin-Brandenburg als Supervisor und Lehrpraxisleiter tätig. Britta kennt er nicht nur aus dem Urlaub, sondern auch aus dem Treptower Kunger-Kiez, in dem seine Praxis wie auch das Institut ansässig sind. In seinem zweiten Leben ist er Jazzmusiker – mit einem Instrument in der Hand entspannt er am besten!

Dipl. – Soz. Päd. Britta Niehaus arbeitet seit über 30 Jahren in der Jugendhilfe und hat nicht nur viele Jahre den CABUWAZI Standort in Treptow geleitet, sondern ist auch als „insofern erfahrene Fachkraft für Kinderschutz“ die Kinderschutzbeauftragte des Trägers. Außerdem ist sie Theaterpädagogin und inklusive Zirkuspädagogin. Britta kommt aus der Kulturellen Bildung – sie entwickelte u.a. Zirkus-Tanz-Theaterprojekte und interdisziplinäre Kulturveranstaltungen. Sie ist approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und entwickelte den kreativen Ansatz der Zirkustherapie, arbeitete in Fachkliniken und niedergelassenen KJP-Praxen und konzipierte ein Modellprojekt für die Zirkustherapie. Anschließend gründete sie das erste Institut für Zirkustherapie Europas – das Alegria, welches Dank einer Förderung des Senats für Bildung, Jugend und Familie niedrigschwellige Gruppenpsychotherapie für seelisch erkrankte Kinder und Jugendliche aus Berlin kostenfrei anbietet.
Britta kann sich beim Tanzen zu lauten Noiserockkonzerten wunderbar entspannen!


Zurück zur Übersicht

Trainingskind Sina im Interview: „Ich liebe Trapez über alles“

30 Jahre CABUWAZI: Sina im Interview

CABUWAZI – das sind vor allem unsere Trainingskinder. Sie sind der Mittelpunkt unserer künstlerischpädagogischen Arbeit. Was Zirkus sein kann, zeigt sich in ihren Erlebnissen und an ihren Entwicklungen sehen wir, wie die Zeit vergeht!

Wir blicken auf 30 Jahre und viele Erinnerungen zurück: Die Geschichte von CABUWAZI ist mehr als eine Aneinanderreihung von Daten. Sie ist ein Weg aus individuellen Erfahrungen, voll von großen und kleinen Herausforderungen, Umbrüchen, Erfolgen, Erinnerungen an Menschen, die uns geprägt haben, und gemeinsamem Wachstum. Anlässlich des Jubiläums haben wir mit Menschen gesprochen, die im Laufe der Jahre bei CABUWAZI trainiert haben – sie geben uns einen Einblick in ihre ganz persönlichen CABUWAZI-Geschichten.

Sina ist wirklich beeindruckend! Die 14-Jährige liebt nicht nur Veränderungen und arbeitet gerne kreativ, sie trainiert auch mehrmals die Woche im Zirkus, hat gerade ihren ersten Kurzfilm produziert und schreibt eigene Songtexte. Während unseres Gespräches strahlt sie Selbstbewusstsein und eine tiefe Verbundenheit zum Zirkus CABUWAZI aus. Sie kennt uns gut: An drei CABUWAZI-Standorten hat sie bereits trainiert.

Sina – Zirkuskind seit 2013, Schülerin

Sinas Liebe zum Zirkus begann schon in der frühen Kindheit, als sie von ihrer älteren Schwester mit dreieinhalb Jahren zu einem CABUWINZIG-Kurs mitgenommen wurde. Im Alter von vier begann sie selbst mit dem Training, wobei sie in den folgenden Jahren im Zuge von mehreren Umzügen öfters die Gruppe wechselte und verschiedene CABUWAZI-Plätze sowie einen anderen Jugendzirkus kennenlernte. Heute trainiert Sina intensiv bis zu fünf Mal pro Woche bei CABUWAZI.

„Wenn ich dann auf den Schultern meiner Freundin stehe, da auf dem Trapez und es so leicht anfängt zu schaukeln und dieses Zittern beginnt. Und wenn es draußen dann auch noch regnet – Das macht mich glücklich!“

Besonders gerne geht sie ins Trapez-Training, das sie zusammen mit ihrer besten Freundin besucht. „Ich liebe Trapez über alles“ fasst sie ihre Begeisterung zusammen, die ihr deutlich anzusehen ist. Sina hat Höhenangst, was die Disziplin zu einer besonderen Herausforderung macht, für sie aber auch einen besonderen Reiz mit sich bringt. Denn sie ist gleichzeitig von allem fasziniert, was mit Höhe zu tun hat. Sie war Fallschirmspringen und plant Bungee jumpen zu gehen. Das Gefühl, fliegen zu können, hat schon als kleines Kind Freude bei ihr ausgelöst.

Auch über das Training hinaus fühlt sich Sina mit CABUWAZI verbunden. Sie trifft Freund:innen auf dem Platz und nimmt an offenen Angeboten teil. Die freundliche Atmosphäre und der unterstützende Umgang der Trainer:innen machen den Zirkus zu einem Ort, den sie gerne besucht und an dem sie sich wohl und glücklich fühlt, egal in welcher Stimmung sie ankommt, erzählt Sina uns.
Ein Schlüsselereignis auf ihrem artistischen Weg war der Moment, als sie ihren ersten Radschlag schaffte. Sina erinnert sich, dass sie sehr lange dafür geübt hatte und irgendwann so frustriert war, dass sie anfing zu weinen. Gigi, einer der Trainer, zeigte ihr daraufhin so lange den Ablauf, bis sie es schaffte.

„Und ich habe den Radschlag nochmal probiert, nicht geschafft. Aber Gigi meinte, guck mal, du musst es genauso machen. Ich habe mich ganz genau daran erinnert, was er alles gemacht hat. Dann habe ich es nachgemacht und ich habe es geschafft!“

Mittlerweile kann Sina den Radschlag mit einer Hand und arbeitet an der freihändigen Version.

Ihr Traum für die Zukunft ist es, eine eigene Zirkusgruppe zu leiten und als Trainerin ihre Begeisterung für den Zirkus an andere weiterzugeben. Sina ist schon heute nicht nur eine engagierte Trainierende, sondern teilt auch gerne ihr Wissen und ihre Fähigkeiten, indem sie jüngeren Kindern beibringt, wie man beispielsweise auf der Kugel läuft und springt. Es macht sie glücklich, wenn sie sieht, wie sich die Kinder über ihre Erfolge freuen und ihren Eltern mit einem strahlenden Lächeln zeigen, was sie schon alles können. Als nächstes möchte Sina ein Praktikum bei CABUWAZI machen.


Zurück zur Übersicht

Zirkuskultur, die stark macht

Zirkuskultur, die stark macht: Wirkung und Entwicklung von Kinder- und Jugendzirkussen und der Zirkuspädagogik

In diesem Blogartikel werfen wir einen Blick auf den Beitrag von Gisela Winkler aus der Jubiläumsbroschüre Gemeinsam wachsen, die anlässlich des 30-jährigen Bestehens von Zirkus CABUWAZI veröffentlicht wurde.

Zirkusmachen ist großartig!

Und das Beste daran ist, dass jede:r mitmachen kann, ohne besondere Voraussetzungen mitbringen zu müssen. Der Zugang ist niedrigschwellig – alle können etwas! Durch beharrliches Üben können wirkliche Höchstleistungen erreicht werden, welche die Zuschauer:innen beeindrucken. Die Vielfalt des Zirkus – neben den artistischen Disziplinen gehören auch Musik, Tanz, Theater, Kostüm- und Bühnenbild bis hin zur Licht- und Tontechnik und Werbung hinzu – hilft jedem und jeder etwas zu finden, was interessiert und attraktiv ist, wo man sich beweisen und Erfolgserlebnisse verbuchen kann. So ist es kein Wunder, dass Kinder- und Jugendzirkusse überall großen Zulauf haben und deren gegenwärtige Zahl unüberschaubar ist. Sie existieren in den unterschiedlichsten Größen und Formen: von eigenständigen Vereinen, in der Trägerschaft soziokultureller, sportlicher und kirchlicher Einrichtungen bis hin zu Schulzirkussen.

Die Entwicklung der Kinderzirkusbewegung

Die Entwicklung der Kinderzirkusbewegung begann 1949 mit dem Zirkus Elleboog in Amsterdam, der die Nachkriegskinder von der Straße holte und mit ihnen artistische Kunststücke übte. Aus der Kinderrepublik Benposta in Spanien, die auf der Straße lebenden Kindern eine Heimstatt bot, ging in den sechziger Jahren der Circo Muchachos hervor, der international berühmt wurde. Zu einer weltweiten Bewegung wurde der Kinderzirkus dann in den achtziger Jahren, als Pädagog:innen, Erzieher:innen und Sozialpädagog:innen die pädagogischen und sozialen Möglichkeiten dieses künstlerischen Mediums entdeckten, aber auch als durch den Cirque Nouveau und innovativen Zirkusunternehmen wie Roncalli die Zirkuskunst von Künstler:innen verschiedener Genres „wiederentdeckt“ und in gewissem Maße aufgewertet wurden. Die künstlerische Kreativität in der Gestaltung von Darbietungen und im Erfinden von Geschichten, erzählt durch artistische Mittel, die Verbindung von Akrobatik, Musik, Tanz, Theater sowie die Einbeziehung sportlicher Elemente und von Street Art haben den Kinder- und Jugendzirkus in kurzer Zeit in vielen Ländern zu einem ganz wesentlichen Bestandteil der Jugendkultur gemacht. Der Kinderzirkus mit seinen vielfältigen Möglichkeiten und Aspekten erweist sich als ein besonders geeignetes Medium für die Kulturelle Bildung.

Der Kinder- und Jugendzirkus – ein vielfältiger Lernort

Zirkus ist ein Lernort par excellence – durch seine Vielfalt ist es jedem und jeder möglich, etwas für sich Passendes und Befriedigendes zu finden, in dem man sich ausprobieren und an dem man wachsen kann. Wie beim professionellen ist auch beim Kinderzirkus ein wesentliches Moment die Grenzüberschreitung: von physischen und psychischen Grenzen, von sozialen, sprachlichen und kulturellen Unterschieden. Die sozialen Aspekte spielen seit seinen Anfängen eine große Rolle. Zirkusmachen ist nur im Team möglich, es braucht sowohl Vertrauen
in die eigenen Fähigkeiten als auch in die der anderen Mitartist:innen. Die Teilnehmenden erfahren prägende Gemeinschaftserlebnisse, übernehmen Verantwortung für das gemeinsame Projekt, entwickeln ihre Individualität und ein neues Lernverhalten. Prozessorientiertes Denken und Handeln, Teamfähigkeit, Flexibilität und Kreativität, Selbstmotivation und Selbstvertrauen sind sogenannte Schlüsselkompetenzen, die für die gesellschaftliche Entwicklung notwendig sind.

Die Zirkuspädagogik

Zirkusmachen wirkt per se pädagogisch: Die Kinder und Jugendlichen erkennen schnell, dass es Beharrlichkeit und auch mal Selbstüberwindung, Disziplin und Arbeit im Team braucht, damit eine Darbietung und schließlich eine Show zustande kommen. Die Zirkuspädagogik als relativ junge Form der Freizeit- und Kunstpädagogik nutzt die Möglichkeiten des Zirkus, um pädagogische Prozesse und Ziele durch Zirkustraining anzuregen und zu erreichen. Durch ihre große Vielfalt kann sie die Persönlichkeitsentwicklung der Heranwachsenden in vielen Bereichen fördern und so zum Beispiel das Erreichen schulischer Lernziele auf spielerische Weise ergänzen und unterstützen.

Die Dimensionen der Zirkuspädagogik – Beispiele der Kompetenzbildung

Die Zirkuspädagogik ist in mehreren Dimensionen wirksam: von der physischen, psychischen, kognitiven bis hin zur gesellschaftlichen. In diesen Bereichen können sich in unterschiedlichen Entwicklungsprozessen vielseitige Fähigkeiten und Kompetenzen entfalten. So findet physisch die körperliche Entwicklung von Koordination, Kraft, Geschicklichkeit und Rhythmusgefühl statt. Psychisch wird die individuelle Entwicklung angeregt. Hier geht es um affektiv-emotionale Erfahrungen wie Selbstwahrnehmung und gestiegenes Selbstbewusstsein durch den
Stolz auf die eigene Leistung. In der kognitiven Dimension bilden sich durch das gemeinsame Trainieren und das Entwickeln von Shows zum einen Fähigkeiten wie Selbstdisziplin, Ausdauer, Konzentrationsvermögen, Verlässlichkeit und Verantwortungsbewusstsein aus, zum anderen wird die Kreativität und das Ästhetikempfinden gefördert. Außerdem erhöht sich die Frustrationstoleranz, da sich die Erkenntnis einstellen kann, dass anfängliches Scheitern an der selbstgestellten Aufgabe zum Trainingsprozess dazu gehört. Das gemeinsame künstlerische Schaffen ermöglicht die Erfahrung, nützlich und kompetent zu sein: Die gesellschaftliche Dimension meint unter anderem das Erleben von Teamarbeit und die damit einhergehende Entwicklung von sozialen Kompetenzen – jeder und jede findet seinen und ihren Platz, ist einzigartig und zugleich Teil eines Ganzen. Durch die notwendige Zusammenarbeit im Team werden Toleranz und Respekt ausgebildet sowie das Gefühl bestärkt, sich zugehörig zu einer Gruppe zu fühlen, akzeptiert zu werden und wiederum andere mit ihrer individuellen Persönlichkeit zu akzeptieren.
Seit einiger Zeit spielt die Zirkuspädagogik auch zunehmend eine Rolle in der heilpädagogischen und therapeutischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, da sie an individuelle Stärken und Interessen von Kindern anknüpft.

Zirkus als Kunstform

Die künstlerisch-kreative Gestaltung von Darbietungen, Szenen und Shows erfordert von den Teilnehmenden eine intensive Beschäftigung mit künstlerischen Aspekten. Zirkus als die Einheit von unterschiedlichen Kunstgenres bietet Raum für die Einbeziehung aller Kinder und Jugendlichen, unabhängig von zum Beispiel Herkunft und Sprachkenntnissen. Denn die Körperkunst des Zirkus funktioniert auch nonverbal.
Die Einbeziehung anderer künstlerischer Genres ist zwar ein Kennzeichen der gesamten Zirkuskunst, steht aber insbesondere im Zeitgenössischen Zirkus im Vordergrund. Im Kinderzirkus wird kaum mit Tieren gearbeitet, das unterscheidet ihn vom traditionellen Zirkus, entspricht aber der Charakteristik des Neuen bzw. Zeitgenössischen Zirkus. Viele Shows erzählen eine Geschichte und beziehen so in mehr oder weniger starkem Maße das Theater ein. Über die Gestaltung ihrer Darbietung hinaus können sich die Mitwirkenden mit der Gestaltung von Themen beschäftigen, die sie sich ausgewählt haben. Diese Motive können natürlich ganz unterschiedlich sein, häufig findet sich aber die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Problemen und dem Finden ihres eigenen Weges. Die Zirkuspädagogik bietet somit auch für die Entwicklung eines gesellschaftlichen Bewusstseins zahlreiche Möglichkeiten.

Seit Jahrzehnten ist nun Zirkusmachen und die Zirkuspädagogik aus der Jugendkultur nicht mehr wegzudenken. So unterschiedlich die Kinder- und Jugendzirkusse auch sein mögen – für die Kinder und Jugendlichen bieten sie einen sicheren Ort, sich zu entfalten, Möglichkeiten der physischen, psychischen und sozialen Entwicklung wahrzunehmen und nicht zuletzt dabei viel Spaß zu haben. Es ist ein Spaß, der sich auch den Zuschauenden der Shows mitteilt, die bewundernd feststellen, was Kinder und Jugendliche zuwege bringen, wenn sie sich der Aufgabe des Zirkusmachens widmen.


Zur Person: Gisela Winkler ist – gemeinsam mit ihrem Ehemann Dietmar Winkler – Initiatorin und Leiterin eines der europaweit größten Archive für Zirkuskunst mit Sitz in Berlin. Das seit 50 Jahren bestehende Archiv sammelt und bewahrt Dokumente zur Geschichte von u. a. Artistik, Zirkus und Varieté mit dem Ziel, die Tradition des Zirkus zu bewahren und sie der Forschung zugänglich zu machen. Hierzu gehören ca. 10.000 Bücher, 2.000 Zeitschriften, 25.000 Fotos, 10.000 Programmhefte, Zeitungsausschnitte, Plakate, Videos, Souvenirs und Spielzeuge aus insgesamt über 50 Ländern. Gisela Winkler hat zahlreiche Bücher herausgegeben, u. a. „Die Geschichte der Artistik und des Zirkus“ sowie „Die Künste der Artistik“. Für ihr publizistisches Wirken für die Zirkuskunst wurde das Ehepaar Winkler mit dem Saltarino-Preis der Gesellschaft der Circusfreunde e.V. ausgezeichnet.


Zurück zur Übersicht

Der Zirkus kommt! Aufsuchende Arbeit bei CABUWAZI

In unserer Jubiläumsbroschüre zu 30 Jahre CABUWAZI haben wir bereits einen spannenden Blick auf die aufsuchende Arbeit bei CABUWAZI gegeben. Jetzt möchten wir diesen Text, der ursprünglich in der Broschüre veröffentlicht wurde, auch hier in unserem Blog mit dir teilen.

Text: Julia Krautstengel

Alle Kinder sollen bei uns mitmachen können! Mit diesem Ziel wird der Zirkus von den Teams der CABUWAZI-Standorte Altglienicke, Hohenschönhausen und Tempelhof in das Lebensumfeld von Kindern und Jugendlichen gebracht. Jede Woche sind die Trainer:innen in Unterkünften für Geflüchtete, Jugendclubs, Familienzentren, Parks und auf Spielplätzen in verschiedenen Berliner Bezirken unterwegs.

Wie sieht er aus, der Alltag der Trainer:innen in der aufsuchenden Arbeit? Und welche Voraussetzungen braucht es, damit die Arbeit mit den Kooperationseinrichtungen gelingt? Wir haben die Koordinatorinnen Steffi und Julia, die die CABUWAZI-Projekte in den Unterkünften und mit weiteren Kooperationspartner:innen in Marienfelde und Spandau betreuen sowie die Trainer:innen Iris und Ahmed einen Tag lang bei ihrer Arbeit begleitet.

Verschwitzt und lachend kommen die Kinder im Abschlusskreis zusammen. Es ist Nachmittag, der erste Kurs an diesem Mittwoch ist gleich zu Ende. Alle strecken ihre Füße in die Mitte und schauen sich an. Dann zählen die Kinder und Trainer:innen in ihren Erstsprachen von zehn bis eins und verabschieden sich mit Tschüss, hoşçakal, alwadae! Die Kinder, die hier trainieren, leben in einer Gemeinschaftsunterkunft in Marienfelde. Wenig Platz, alte Gebäude, außerhalb des Berliner Zentrums – das beschreibt viele Unterkünfte, in denen Kinder und Jugendliche leben, die als Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind.

Der Trainingsraum befindet sich auf dem Gelände der Unterkunft, von der Pforte sind es gerade mal ein paar Schritte, vorbei an Wohngebäuden, einem Basketballplatz und spielenden Kindern – die Stimmung wirkt ausgelassen, auch beim Training. Iris, eine der zwei Trainer:innen, die heute die Trainingsgruppen anleiten, betont, dass die Kinder, die hier zum Training kommen, wirklich immer Lust haben. Dies schaffe eine ganz besondere Dynamik und sei sehr energiegeladen. Das wird auch beim Zuschauen deutlich: Beim Seilspringen strengensich alle an, um mehr als 20 Sprünge zu schaffen. Es wird gejubelt, sich gegenseitig angefeuert und ermutigt. Der Trainingsraum ist schlicht eingerichtet, Trainingsmatten, eine Seilanlage, hinter einem beigen Vorhang sind Kisten abgestellt. Heute können die Kinder Zirkusdisziplinen wie Seilspringen, Kugel, Hula-Hoop und Rola Bola trainieren – die Requisiten hierfür lassen sich leicht hin und her transportieren.

Flexibilität in der aufsuchenden Arbeit sei besonders wichtig, nicht nur bei den Zirkusrequisiten, betonen Steffi und Julia, die die Projektarbeit in Marienfelde und Spandau koordinieren und an den Standort in Tempelhof angebunden sind. Wir treffen sie in ihrem auf dem Gelände von CABUWAZI Tempelhof gelegenen Büro, einem gemütlich eingerichteten Zirkuswagen, draußen nieselt es. Ihr Morgen beginnt meistens damit, E-Mails zu checken und die wichtigsten Fragen für den Tag zu klären: Sind alle Trainer:innen da? Muss etwas umgeplant werden?

„Beyond Borders“ – der Beginn der aufsuchenden Arbeit in Unterkünften

Die aufsuchende Arbeit in Unterkünften startete 2015 bei CABUWAZI, als das Projekt „Beyond Borders“ ins Leben gerufen wurde. Ziel war es, geflüchteten Kindern und Jugendlichen das Ankommen zu erleichtern, ein soziales Miteinander in der Gemeinschaft zu fördern und sie dabei zu unterstützen, ihre eigenen Stärken zu entdecken. Von da an führt das seit 2017 in Tempelhof ansässige Team Zirkusprojektwochen, Workshops und fortlaufende Zirkuskurse direkt in den unterschiedlichen Unterbringungseinrichtungen durch. Die Arbeit mit Geflüchteten ist auch heute noch ein Schwerpunkt des Standortes in Tempelhof.

Aktuell bieten drei CABUWAZI-Standorte mobile Angebote in Unterkünften an: Die Teams aus Altglienicke, Hohenschönhausen und Tempelhof sind aber nicht nur in Unterkünften unterwegs, sondern bringen den Zirkus auch in Jugendfreizeiteinrichtungen und laden an öffentlichen Plätzen zum Mitmachen ein. Mit Erfolg: Der Bedarf sei hoch, erklärt Julia. Insbesondere, da das kulturelle Angebot in den Außenbezirken begrenzt sei. Und Steffi, die seit über fünf Jahren die Arbeit in Marienfelde koordiniert, ergänzt:

„Viele Eltern der Kinder, die zu uns kommen, haben mit bürokratischen Prozessen und Sprachbarrieren zu kämpfen. Dann ist es einfach toll für die Kinder, an schönen Aktivitäten teilzunehmen.“

Steffi (Koordinatorin Projekt Marienfelde)

Die aufsuchende Arbeit geht dahin, wo die Kinder sind, und arbeitet mit denjenigen, die da sind. Im Gegensatz zu den Kursen an den Standorten ist nicht immer klar, wer wann beim Training dabei sein wird. Das Angebot in Marienfelde wird deshalb an die Kinder vor Ort und die jeweiligen Umstände angepasst. „Hier geht es nur bedarfsorientiert“, erzählt Steffi. Zentral sei die Frage, wie jedes Kind bestmöglich unterstützt werden kann, um am Training teilzunehmen. Beide Koordinatorinnen versuchen außerdem, regelmäßig Shows mit den Kindern zu konzipieren: „Die Kinder sind so stolz auf sich, das liebe ich“, sagt Julia schmunzelnd.

Um sicherzustellen, dass die Projekte so reibungslos und angenehm wie möglich für die Kinder und Trainer:innen verlaufen, koordinieren Steffi und Julia verschiedene Projektebenen und Aufgaben. Dazu gehören das Schreiben von Einsatzplänen, Netzwerkarbeit und Absprachen mit Kooperationspartner:innen. Bei Bedarf unterstützen und begleiten sie auch Trainer:innen pädagogisch, stehen mit Familien in Kontakt und vermitteln, wenn nötig.

Langfristig gemeinsam Arbeiten

In manchen Erstaufnahmeeinrichtungen wechseln die Kinder oft, in anderen Unterkünften sind sie schon Jahre dabei und nehmen heute an Trainings auf dem Platz in Tempelhof teil, erzählt Iris in einer Trainingspause. Ein Kind, das durch Iris in eine Trainingsgruppe an den Standort in Tempelhof gekommen ist, brachte ihr beim ersten Training auf dem Platz Blumen mit – das hat sie zu Tränen gerührt.

„Dadurch, dass ich schon lange da bin, kenne ich die Kinder sehr gut, ich habe eine Beziehung zu ihnen.“

Iris (Trainerin)

Auch Steffi und Julia unterstreichen, dass die Beziehungsarbeit zentral sei und das Angebot über den Zirkus hinausgehe. Es wird je nach Interesse geschaut, was die Kinder brauchen. „Wir vermitteln auch mal an einen Sportverein“, erzählt Steffi. Für manche Kinder stehe nicht der Zirkus im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Beziehungen, die sie hier aufbauen können.

Das Team in Marienfelde und auch in Spandau profitiere davon, dass es sehr international ist. Trainer:innen können so auch Rollenvorbilder sein, die den Trainingskindern aufgrund eigener Erfahrungen Mut machen. Die Teilnehmenden können nicht zuletzt auch deswegen schnell eine Verbindung zu den Trainer:innen aufbauen. „Das ist auch eine Parallelwelt zu dem, was sie sonst oft erleben.

„Wir schaffen mit dem Angebot für die Kinder einen Ort, an dem sie sich künstlerisch ausdrücken können, einen gesunden Ort, wo sie sich ok fühlen.“

Julia (Koordinatorin Projekt Spandau)

Nachdem das Training der Sechs- bis Zehnjährigen vorbei ist, plappern alle fröhlich durcheinander und erzählen von ihren Lieblingsübungen. Viele der Kinder kommen schon seit über einem Jahr zum Training, wie zum Beispiel Oula, die neun Jahre alt ist und am liebsten mit dem Springseil trainiert. Selbstbewusst erzählt sie, dass sie aber auch gerne Fußball spiele – in beidem sei sie sehr gut. Besonders toll finden die Kinder Ahmed und Iris: Auf die Frage, wie die Trainer:innen hier sind, rufen alle laut „toll, toll, toll“.

Nach und nach schlendern nun die älteren Kinder herein – am späten Nachmittag beginnt das Training für die Kinder ab zehn Jahre. Es wird diskutiert, ob heute zwei Kinder bleiben können, die eigentlich zu jung sind – Iris fragt alle in der Gruppe und schließlich wird eine Ausnahme gemacht. Die Kinder werden hier immer wieder in Entscheidungen einbezogen und lernen so, Probleme und Unstimmigkeiten gemeinsam zu lösen. Iris ist es wichtig, dass sie neben ihren Fähigkeiten in Balance und Akrobatik auch ihre sozialen Kompetenzen ausbauen: „Hier treffen ganz unterschiedliche Kinder aufeinander, die dann miteinander klarkommen müssen.“ Gelegentlich gäbe es Streit, wie überall, meistens könne sie aber vermitteln.

Nach einer Aufwärmphase trainieren die Kinder in verschiedenen Gruppen – einige mit dem Hula-Hoop, eines auf dem Rola Bola. Die meisten haben die Kugel gewählt. Ahmed zeigt den Trainingskindern, die schon auf der Kugel stehen können, anspruchsvolle Übungen. Bei Somaya sieht die Umsetzung dieser ganz leicht aus, so gut ist sie schon. Sie trainiert seit zwei Jahren hier in der Unterkunft und hat bereits an den Zirkusferien in Tempelhof teilgenommen. Stolz erzählt sie, dass sie mit der Kugel auch schon bei zwei Shows aufgetreten ist.

Fragt man Iris, was sie sich noch für ihre Arbeit wünschen würde, fällt ihre Antwort ganz klar aus: „Am liebsten würde ich Dari, Arabisch und Türkisch sprechen, damit ich noch besser mit den Eltern kommunizieren kann.“ Sie findet es schade, dass die Kinder oft das Dolmetschen übernehmen müssen und es mit den Eltern zu Kommunikationsschwierigkeiten kommt. Aber auch hier lassen sich Brücken aufbauen und das Vertrauen wächst stetig. Im Training zeigt Iris jetzt die sogenannten Kugeltiere. Die Kinder steigen auf ihre Kugeln und sind mal Löwe, mal Katze. Iris geht von Kind zu Kind, nimmt sich Zeit, jede Übung genau zu erklären. Zwischendurch wird gelacht, die Kinder erzählen vom Fest des Fastenbrechens, das gerade stattfindet.

Es ist zentral, dass die Kinder beim Training eine gute Zeit haben und positive Erfahrungen machen. Deshalb achten Julia und Steffi besonders darauf, dass die Trainer:innen auch wirklich Lust haben, in den Unterkünften zu arbeiten. Der eigene Anspruch sei es deshalb, wie Steffi betont, dass sich die Teams wohlfühlen und alles haben, was sie brauchen, um gut arbeiten zu können. „Nur so wird das Training zu einer guten, sicheren Erfahrung“, erklärt sie.

Julia erzählt, dass die Trainer:innen in den Unterkünften sehr viel Gestaltungsspielraum haben: „Es gibt viele Freiheiten, gleichzeitig aber auch weniger gefestigte Strukturen als auf dem Standort.“ Manchmal gäbe es zum Beispiel keine direkte Ansprechperson in der Unterkunft und Julia und Steffi sind auch nicht immer vor Ort. Wenn es eine Frage gibt, weil ein Kind zum Beispiel länger nicht zum Training gekommen ist, „kann die Arbeit auch mal mühsam werden“, sagt Julia.

Ein weiter Weg zur Anerkennung

Als Steffi vor über fünf Jahren mit der Arbeit in Marienfelde begann, war die Finanzierung immer wieder ein großes Thema: „Es gab sehr wenig Sicherheit, ob das Projekt nächstes Jahr noch relevant genug ist.“ Im Moment wird die aufsuchende Arbeit an den drei CABUWAZI-Standorten über den Asyl-, Migrations-, und Integrationsfond der EU finanziert sowie über den Berliner Jugendsenat. Das ist ein großer Erfolg, da die Förderung über mehrere Jahre läuft und die Projekte und Kooperationen nachhaltig geplant werden können. Ein weiterer Erfolg ist, dass das Jugendamt in Spandau die Zirkuspädagogik mit in ihr Portfolio der Kinder- und Jugendarbeit aufgenommen hat und dass auch in Tempelhof-Schöneberg das Jugendamt die Arbeit von CABUWAZI in ihrem Bezirk unterstützt.

Viele Perspektiven – mehr Inklusion

Julia erzählt, dass es mittlerweile mehrere Kooperationspartner:innen in Spandau und Marienfelde gibt – so können auch Kinder zu CABUWAZI finden, die nicht in den Unterkünften leben, sondern zum Beispiel ihre Nachmittage in Jugendfreizeiteinrichtungen verbringen. Das macht das Angebot noch inklusiver. Marienfelde und Spandau, aber auch Altglienicke und Hohenschönhausen sind Stadtteile mit weniger Auswahl an Freizetangeboten als an anderen Orten Berlins: „Es gibt viele Familien, die nicht nach Tempelhof oder Kreuzberg fahren können“, bemerkt sie.

Durch die Arbeit, die an den drei Standorten in Altglienicke, Hohenschönhausen und Tempelhof geleistet wird, haben viele Kinder die Möglichkeit, an etwas teilzuhaben, was für viele andere ganz normal ist: einem Hobby, dem sie in ihrer Freizeit selbstständig nachgehen können. Zirkus kann jedoch noch viel mehr: Er fördert Fähigkeiten und Fertigkeiten, stärkt das Selbstvertrauen, unterstützt die soziale Entwicklung und schafft einen niedrigschwelligen Zugang zu Bewegung und Kultureller Bildung.

Das Training geht am Abend zu Ende. Den ganzen Nachmittag haben Ahmed und Iris die Kinder begleitet. Jetzt rollen sie die Matten zusammen und räumen die Kugeln weg. Für sie ist hier genau der richtige Ort für Zirkus: „Der Spaß und die Energie der Kinder motivieren mich“, sagt Iris lachend zum Abschluss.


Zurück zur Übersicht

CABUWAZI feiert 30-Jähriges mit neuem Merchandise!

Heute möchten wir dir unsere fantastischen Merch-Produkte vorstellen, die im Rahmen des 30-jährigen Jubiläums von CABUWAZI erstellt wurden. Ob für den Eigengebrauch oder als Geschenk – bei unserem Merch ist für alle etwas dabei. Entdecke jetzt unsere vielfältigen Artikel und zeige deine Unterstützung für CABUWAZI!

   


Tasse mit Henkel – 7,00 €

Beginne deinen Tag mit einem heißen Kaffee oder Tee aus unserer CABUWAZI-Tasse. Diese Keramiktasse ist nicht nur praktisch, sondern auch ein echter Hingucker. Mit ihrem roten Design bringt sie Farbe in jeden Morgen.

   


Trinkflasche – 5,00 €

Unsere Trinkflasche ist perfekt für unterwegs und passt in fast jede Tasche! Ob beim Training, in der Schule oder auf Reisen – mit der CABUWAZI-Trinkflasche bleibst du immer gut hydriert.

 


Jonglierset – 9,00 €

Perfektioniere deine Jonglierkünste mit unserem CABUWAZI-Jonglierset. Es enthält alles, was du brauchst, um Tricks zu erlernen und zu zeigen. Ideal für Anfänger:innen und Fortgeschrittene, die ihre Fähigkeiten weiterentwickeln möchten.

   


Stoffbeutel – 4,00 €

Unser CABUWAZI-Stoffbeutel bietet genügend Platz für deine Einkäufe, Bücher oder Sportkleidung und ist der perfekte Begleiter für jeden Tag.

Erhältlich in zwei Varianten: Schwarz mit großem Logoaufdruck mittig | Beige mit roten Henkeln und Logoaufdruck rechts unten


Basecap – 9,00 €

Schütze dich vor der Sonne mit unserem CABUWAZI-Basecap – bequem und verstellbar.

 

Erhältlich in zwei Modellen: mit großem Logoaufdruck mittig | mit kleinem Logoaufdruck unten rechts


T-Shirt Kinder – 12,50 € | T-Shirt Erwachsene – 15,00 €

Unsere CABUWAZI-T-Shirts sind in verschiedenen Farben und Größen für Kinder und Erwachsene erhältlich. Sie bestehen aus Baumwolle und sind ideal für den Alltag oder als sportliches Outfit. Das bunte Design macht sie zu einem echten Hingucker.

Für Kinder: Logoaufdruck auf der Vorderseite | Größen: 6 Jahre (106/116), 8 Jahre (118/128), 10 Jahre (130/140), 12 Jahre (142/152) | Farben: Blau, Cyan, Gelb, Grün, Hellblau, Rosa, Rot

Für Erwachsene: Logoaufdruck auf der Rückseite | Größen: XS, S, M, L | Farben: Blau, Grün, Rosa, Rot


Hoodie – 25,00 €

Bleib warm und gemütlich mit unseren CABUWAZI-Hoodies. Perfekt für kühle Tage oder als lässiges Freizeitoutfit. Sie sind in Größen für Kinder erhältlich. Mit CABUWAZI-Logoaufdruck auf der Rückseite.

 

Verfügbare Größen: S (5/6 Jahre), M (7/8 Jahre), L (9-11 Jahre), XL (12/13 Jahre)


Jubiläumsbroschüre – Gegen Spende

Erfahre mehr über die spannende Welt von CABUWAZI mit unserer Jubiläumsbroschüre “30 Jahre CABUWAZI – Gemeinsam wachsen”. Sie enthält interessante Einblicke in unsere Projekte, unsere Geschichte und unsere Vision. Erfahre mehr dazu in diesem Blogbeitrag. Die Broschüre ist gegen eine Spende erhältlich.

 


Wenn du Interesse an den Merch-Produkten hast, wende dich bitte an unser Pressebüro für weitere Informationen und Bestellungen:
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
[email protected]
+49 (0)30 / 544 90 15 – 14
Bouchéstraße 75, 12435 Berlin


Zurück zur Übersicht

Ein ehemaliges Trainingskind erinnert sich – Sabrina Strasse im Interview

30 Jahre CABUWAZI: Sabrina Strasse im Interview

CABUWAZI – das sind vor allem unsere Trainingskinder. Sie sind der Mittelpunkt unserer künstlerischpädagogischen Arbeit. Was Zirkus sein kann, zeigt sich in ihren Erlebnissen und an ihren Entwicklungen sehen wir, wie die Zeit vergeht!

Wir blicken auf 30 Jahre und viele Erinnerungen zurück: Die Geschichte von CABUWAZI ist mehr als eine Aneinanderreihung von Daten. Sie ist ein Weg aus individuellen Erfahrungen, voll von großen und kleinen Herausforderungen, Umbrüchen, Erfolgen, Erinnerungen an Menschen, die uns geprägt haben, und gemeinsamem Wachstum. Anlässlich des Jubiläums haben wir mit Menschen gesprochen, die im Laufe der Jahre bei CABUWAZI trainiert haben – sie geben uns einen Einblick in ihre ganz persönlichen CABUWAZI-Geschichten.

 

Wenn Sabrina von Stufensprüngen, Pendeln und anderen Einrad-Tricks erzählt, klingt es so, als wäre es erst gestern gewesen, dass sie selbst auf der Bühne stand. Sie fühlt sich offensichtlich wohl auf dem Zirkusplatz in Marzahn, kennt und grüßt alle. Sabrina kommt heute allerdings nicht als Trainingskind in den Zirkus. Ihre 13-jährige Tochter trainiert jetzt hier.

„Lustig finde ich, dass ich viele Leute von früher wiedersehe – gerade jetzt, wo meine Tochter hier am Standort in Marzahn trainiert.“

 

Zirkuskind ab 1996, heute Friseurmeisterin

Sabrina selbst war zehn Jahre alt, als sie Mitte der 90er zufällig einen Einradfahrer auf einer Straße in Altglienicke sah und so fasziniert war, dass sie ihn spontan ansprach. Dieser gehörte zu einem mobilen Zirkusangebot von CABUWAZI und lud sie ein, einfach mitzumachen – was sie prompt auch tat! Der Treffpunkt für das Training war damals ein alter Bauwagen, der als Lager für allerlei Zirkusrequisiten diente. Trainiert wurde auf der Straße. Von dort zog die Gruppe später in eine Turnhalle und die Idee für ein eigenes Zirkuszelt auf dem heutigen Gelände von CABUWAZI Altglienicke nahm Form an.
Sabrina wohnte damals in Altglienicke und konnte, während sie mit dem Fahrrad daran vorbeifuhr, beobachten, wie der Platz langsam Gestalt annahm. Zwei weiße Festivalzelte wurden aufgestellt, die rechteckig waren und erst ein paar Jahre später durch ein rundes, rot-weißes Zirkuszelt ersetzt wurden. Für Requisiten und andere Utensilien gab es Containerwagen und eine Schneiderei wurde eingerichtet, in der die Mutter eines Kindes aus der Gruppe als Schneiderin anfing.

Sabrina erzielte schnell erste Erfolge beim Einradfahren und ihr Bruder folgte ihr zu CABUWAZI, um Jonglieren zu lernen. Besonders gerne erinnert sie sich an die gemeinsamen Feste auf dem Platz in Altglienicke. Insbesondere der Inline-Fasching hatte es ihr angetan, bei dem Kinder, Eltern und Trainer:innen unabhängig vom Alter zusammen feierten und skateten. Auch die Ferienfahrten nach Ungarn, Rügen und zum Frauensee mit den Kindern der anderen Standorte sowie ihre Auftritte in Alt-Treptow und Marzahn im Rahmen von Shows und Zirkusfestivals sind ihr in Erinnerung geblieben. Sabrina nahm während ihrer Zeit als Trainingskind an zahlreichen Vorstellungen teil. Im Stück „Clownsgarden“ hatte sie sogar eine Sprechrolle, für die sie gemeinsam mit der zur gleichen Zeit im Zirkus trainierenden Karoline Herfurth probte.

Sabrina auf dem Einrad

„Ich hatte meinen letzten Auftritt, als mein Mann 25 wurde. Da bin ich Einrad gefahren und habe mit meinem Bruder jongliert. Die Kostüme dafür habe ich noch aus Altglienicke ausgeliehen bekommen.“

Obwohl Sabrina Strasse heute nicht mehr selbst auf der Bühne steht, hat die mittlerweile in Mahlsdorf lebende Mutter von drei Kindern immer noch starke Verbindungen zu CABUWAZI. Als ihre Töchter Interesse an einem Hobby zeigten, schlug Sabrina den Zirkus vor. Ihre ältere Tochter trainiert bis heute Drehperche und Einrad bei CABUWAZI in Marzahn.
Sabrina macht es stolz, ihr Kind auf der Bühne zu sehen und freut sich, dass ihre Tochter so viel Spaß dabei hat, Disziplinen zu erlernen, Sport zu treiben und Freund:innen zu treffen – ähnlich wie sie es früher erlebte.

Vor Kurzem hat Sabrina übrigens eine spannende Anfrage erhalten: Sie wurde eingeladen, gemeinsam mit ihrer Tochter bei einer Faschingsfeier mit 2.000 Gäst:innen aufzutreten. Die Idee, als Mutter und Tochter gemeinsam auf dem Einrad zu performen, reizt sie. Ob sie zusagt, wollte sie uns aber noch nicht verraten.


Zurück zur Übersicht

30 Jahre CABUWAZI: Standing Ovations für unsere Artist:innen beim Jubiläum

Mit einem großen Fest haben wir letztes Wochenende das 30-jährige Jubiläum von CABUWAZI gefeiert. Viele Monate lang haben Kinder, Jugendliche, Trainer: innen und Mitarbeitende aller sechs Standorte intensiv darauf hingearbeitet, um dieses besondere Event zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen.

Uns wird auch heute noch ganz warm ums Herz, wenn wir an die vielen schönen Momente und Highlights zurückdenken:

Im Zentrum des Festwochenendes stand die Jubiläumsshow „Gemeinsam wachsen“ und die über 100 Kinder aller CABUWAZI-Standorte, die hier gemeinsam auf der Bühne standen! Sie zeigten beeindruckende Zirkusnummern und fanden ergreifende Worte für CABUWAZI, die uns als Mitarbeitende sehr berührt haben – Momente, die uns zeigen, wie wichtig Kulturelle Arbeit ist und wie diese unsere Kinder stark für die Zukunft macht!

“Als kleines Kind kam ich ins große Zelt,
welches über die Zeit wurde zu meiner eignen Welt.
Hier lernte ich neue Leute kennen
und konnte sie nach einer Weile meine Freunde nennen.
Zusammen haben wir neue Sachen ausprobiert,
uns im Kostümfundus verirrt und tolle Shows choreografiert.
Es fühlt sich an wie eine zweite Welt,
hier in diesem Zelt, welches die unterschiedlichsten Menschen zusammenhält,
wo das Training stattfindet und die Realität entfällt.
Wo man lacht und wenn etwas nicht klappt,
man hört, dass man es beim nächsten Mal schafft.
Man hält zusammen das ist ja klar,
man ist wie eine Familie für alle da.
Ich komme gerne her,
es ist hier genauso schön wie am Meer.
Wir haben alle unsere Geschichten zu tragen,
aber schaffen es hier trotzdem neue Dinge zusammen zu wagen.
Egal ob groß oder klein,
bei den Shows kann jeder mit dabei sein.
Nun werden wir größer und älter und müssen irgendwann hier raus,
aber unsere Herzen bleiben hier immer Zuhaus.
Und dann sind die nächsten Kinder dran, gemeinsam wachsen von Anfang an.”

(Ausschnitt des selbstgedichteten Einleitungstextes zur Zirkusnummer von CABUWAZI Treptow von Raven Schanzmann und Pia Läger

 

 

 

Das sehr unterhaltsame Moderationsteam verband die Nummern aller CABUWAZI Standorte miteinander. Dass auch das Publikum begeistert war, zeigte sich durch stürmischen Beifall und Standing Ovations am Ende der Shows!

„Es war so beeindruckend und hätte noch lange so weitergehen können. Es war wirklich von allem etwas dabei.“

(Eine Zuschauerin)

 

Neben der gemeinsamen Show konnten die Besucher:innen das ganze Wochenende an verschiedenen Angeboten wie dem Mitmachzirkus und Kinderschminken teilnehmen, das sommerliche Wetter und die gute Stimmung auf dem Platz von CABUWAZI Marzahn sowie erfrischende Getränke von unserem Partner Spreequell genießen.

Ein weiterer Höhepunkt war die Jubiläums-Gala am Samstagabend, zu der zahlreiche Gäst:innen aus der Politik, langjährige Wegbegleiter:innen, Kooperationspartner:innen, ehemalige und aktuelle Mitarbeitende eingeladen waren.

 

   

 

 

Zwei Menschen, die CABUWAZI schon seit vielen Jahren begleiten, Höhen und Tiefen erlebt und mit uns gemeinsam Hürden genommen haben, sind Elke Breitenbach (Mitglied des Abgeordnetenhauses, die Linke) und Alexander Freier-Winterwerb (Mitglied des Abgeordnetenhauses, SPD). Sie blickten in ihrer gemeinsamen Ansprache auf die vergangenen Jahre zurück und fanden berührende Wünsche für die Zukunft!

Ich wünsche erst einmal der Stadt Berlin, dass es CABUWAZI noch ganz, ganz lange gibt, dass ihr mit ganz, ganz vielen Kindern Zirkus machen könnt, dass ihr ganz, ganz viele Kinder und ihre Familien stark macht und groß macht. Ich wünsche euch als CABUWAZI-Team an allen Standorten viel Erfolg, dass ihr weiterwachst und dass ihr weiterhin so einen großen Erfolg habt wie bisher!

(Elke Breitenbach, ehemalige Senatorin für Integration,
Arbeit und Soziales, Mitglied Abgeordnetenhaus von Berlin, Die Linke)

 

    

 

Ich habe das Gefühl, wenn ich mir Nachrichten angucke, wenn ich in den sozialen Medien mich umschaue, dass es Orte braucht, wo es egal ist, wer du bist, wo du herkommst, wie du aussiehst, ob deine Eltern Geld haben oder nicht, ob sie Bildung haben, sondern wo Menschen einfach als Menschen gesehen und akzeptiert werden und deshalb wünsche ich mir sehr, dass der Geist von CABUWAZI, den ihr seit 30 Jahren lebt, in die Stadt hinaus geht und die Herzen der Menschen beflügelt!

(Alexander Freier-Winterwerb, Mitglied Abgeordnetenhaus von Berlin, SPD)

 

Eröffnet wurde die Gala von unserer Geschäftsführerin Anne Kirschneck, die in ihrer Rede betonte, auf welche Weise CABUWAZI in den letzten 30 Jahren gewachsen ist – ein großer Dank galt in ihrer Ansprache den Mitarbeitenden von CABUWAZI „ohne die das Wachstum und die heutige Angebotsvielfalt nicht möglich gewesen wäre.“

„Mit unseren vielfältigen Angeboten erreichen wir inzwischen 12.000 Kinder und Jugendliche im Jahr. Neben den Nachmittagstrainings, Ferien- und Schulprojektwochen sowie diversen offenen – und Showformaten ist die mobile Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung ein Schwerpunkt in unseren Angeboten. Es ist toll, wie viel wir gemeinsam [mit den vielen Mitarbeitenden, Ehrenamtlichen, Kooperationspartner:innen, Wegbegleiter:innen und CABUWAZI-Freund:innen] bewegen können!“

(Anne Kirschneck, Geschäftsführung CABUWAZI/GrenzKultur gGmbH)

 

     

 

Das Jubiläumswochenende war eine wunderbare Gelegenheit, drei Jahrzehnte Zirkusarbeit zu feiern und gemeinsam mit CABUWAZI-Artist:innen, -Freund:innen und Mitarbeiter:innen in die Zukunft zu blicken. Wir danken allen, die dazu beigetragen haben, dass dieses Wochenende so besonders wurde, und freuen uns auf viele weitere Jahre voller Zirkus, Spaß und gemeinsamen Wachstum!

 

 

Vielen Dank an unseren Partner Spreequell:


Zurück zur Übersicht

Max Patschke: Vom ehemaligen Trainingskind zum Artist und Zirkustrainer

30 Jahre CABUWAZI: Max Patschke im Interview

CABUWAZI – das sind vor allem unsere Trainingskinder. Sie sind der Mittelpunkt unserer künstlerischpädagogischen Arbeit. Was Zirkus sein kann, zeigt sich in ihren Erlebnissen und an ihren Entwicklungen sehen wir, wie die Zeit vergeht!

Wir blicken auf 30 Jahre und viele Erinnerungen zurück: Die Geschichte von CABUWAZI ist mehr als eine Aneinanderreihung von Daten. Sie ist ein Weg aus individuellen Erfahrungen, voll von großen und kleinen Herausforderungen, Umbrüchen, Erfolgen, Erinnerungen an Menschen, die uns geprägt haben, und gemeinsamem Wachstum. Anlässlich des Jubiläums haben wir mit Menschen gesprochen, die im Laufe der Jahre bei CABUWAZI trainiert haben – sie geben uns einen Einblick in ihre ganz persönlichen CABUWAZI-Geschichten.

Max zieht es auf die Bühnen dieser Welt. Der 28-Jährige ist ausgebildeter Zirkustrainer und hat im Sommer 2023 sein Artistikstudium in Tilburg, Niederlande, mit dem Schwerpunkt Akrobatik abgeschlossen. An der Akrobatik fasziniert ihn die Kombination aus Bewegung und Vertrauen, dass die Artist:innen in der Gruppe einander stützen und dabei gleichzeitig, wie er sagt „ein superschönes Bild“ erzeugen.

Max Patschke – Zirkuskind ab 2008, heute Artist und Zirkustrainer

Max ist in Treptow aufgewachsen. Als Kind sah er den Zirkusplatz in seiner Nachbarschaft und das Applaudieren der Leute im Zelt weckte seine Neugierde. Er konnte sich nie ganz vorstellen, was dort passiert, bis er mit 12 Jahren an einer Schulprojektwoche teilnahm und sich anschließend im offenen Training anmeldete. Das war für ihn der perfekte Raum, um seine Fähigkeiten zu erkunden und auszubauen, bevor es in die festen Gruppen ging, erinnert sich Max. Während seiner Zeit bei CABUWAZI probierte er nahezu alle Zirkusdisziplinen aus – von Kugel- und Stelzenlauf über Tuch, Trapez und Chinese Pole bis hin zu Trampolin und Jonglage – bis er schließlich bei der Akrobatik ankam und mit 18 Jahren Teil der Jugendgruppe You N‘ Me wurde. Die gemeinsame Arbeit dort erlebte er als sehr kreativ, da die Mitglieder weitestgehend autark trainierten, voneinander lernten, gemeinsam eigene Stücke entwickelten und selbst Regie führten.

„Es sind die Menschen, die meine Erinnerungen immer wieder aufleben lassen. Es sind unendlich viele gute Erinnerungen.“

Für ihn war CABUWAZI nicht nur ein Ort des Trainings! Es war ein sicherer Hafen, an dem Max er selbst sein konnte und dabei unterstützt wurde, sein eigenes, wie er sagt, „soziales Wesen“ zu entwickeln. Eine sehr emotionale Erinnerung für ihn ist die Eröffnungsfeier von CABUWAZI Tempelhof, bei der er seinen letzten gemeinsamen Auftritt mit seiner CABUWAZI-Akrobatikgruppe hatte. Das Spannungsfeld aus der großen Freude am Auftritt und dem Bewusstsein, dass er und seine Partner:innen in naher Zukunft unterschiedliche Ausbildungsorte, in seinem Fall die Zirkusschule, besuchen und damit eigene Wege gehen würden, verbindet er rückblickend mit seinem Übergang vom Trainingskind in die Professionalität.

„Die letzte Show, da habe ich sehr geheult. Dann kam Hermann, der Techniker von Treptow, zu mir und der hat mich erstmal in den Arm genommen. Er meinte, du weißt ganz genau, dass es noch nicht vorbei ist. Das sind Worte, die immer wieder, wenn es mir schlecht geht oder ich nicht weiß, wie es weitergeht, hochkommen.“

Heute ist Max ausgebildeter Zirkustrainer und Artist. Aktuell entwickelt er als Teil eines Trios eine neue Show. Er wünscht sich, so oft wie möglich auf der Bühne zu stehen und parallel als Zirkustrainer zu arbeiten. An der Zirkuspädagogik interessiert ihn die unmittelbare Wirkung – die Möglichkeit, Kinder und Jugendliche dabei zu unterstützen, mit ihren eigenen Baustellen umzugehen und ausreichend Bewegung zu bekommen. Beim Blick in die weitere Zukunft kann Max sich auch vorstellen, hauptberuflich in einer Jugendeinrichtung mit Zirkusschwerpunkt anzufangen. Aber auch die Gründung einer Company oder einer neuen Zirkusschule sind Teil seiner Gedankenspiele.

Max bei der Weihnachtsshow 2013

„Eine sehr lange Zeit meines Lebens war es mein Ziel, auf eine Zirkusschule zu gehen… Das Ziel habe ich erreicht!“


Zurück zur Übersicht

Jubiläumsbroschüre: Gemeinsam wachsen

Wir haben 30 Jahre CABUWAZI zum Anlass genommen, eine CABUWAZI-Broschüre zusammenzustellen, die dir neue Einblicke in die Vielfalt unserer Angebote und Projekte gibt:

Wir teilen spannende Zahlen sowie Fakten rund um CABUWAZI und blicken gemeinsam mit ehemaligen und aktuellen Zirkuskindern auf ihre Erfahrungen bei uns zurück. Mittels exklusiver Interviews und Fachbeiträge beleuchten wir zudem verschiedene Perspektiven von Zirkus und Zirkuspädagogik, die wir so erstmals in einer Publikation zusammenstellen.

 

So geben wir zum Beispiel Einblicke in die Entwicklung von Zirkuspädagogik und Kinder- und Jugendzirkusse, Expert:innen aus der Kinder- und Jugendpsychologie besprechen, warum Zirkus und Therapie so gut zusammenpassen und wir porträtieren unsere aufsuchende Arbeit in Unterkünften mit Menschen mit Fluchterfahrung.

Dass wir so eine umfangreiche Broschüre herausgeben können, haben wir nicht nur vielen langjährigen Wegbegleiter:innen zu verdanken, sondern auch dem Team von PinguinDruck, die den Prozess begleitet und unterstützt haben. Wir finden, dass der Druck supertoll geworden ist und bedanken uns ganz herzlich!

PinguinDruck ist eine Berliner Umweltdruckerei, der ein umweltfreundlicher, ökologischer Umgang mit Ressourcen genauso am Herz liegt, wie soziales Engagement – seit vielen Jahren unterstützen sie deshalb Projekte, die das vielfältige Zusammenleben in Berlin stärken.